Einschränkung der Grundrechte im Internet ============================= V 0.88 ==== Von Wau Holland /emp 25.09.1996 - Zensur in Deutschland hat Tradition, u.a. von Kaisers Zeiten über Schwarz-Schilling bis hin zu heutigen privat organisierten Internet-Sperrungen. Früher wurden Zeitungen von der Post nicht transportiert, heute werden Bits von privaten Internet-Dienstleistern nicht transportiert. Beides ist eine Einschränkung von Grundrechten in Deutschland. Dieser Beitrag soll provozieren - nicht zuletzt die BAW. Zum Text gehört ein Artikel aus der angeblich verbotenen "RADIKAL 154" mit dem Titel "Pressefreiheit - Freiheit für wen?". Eingespeist und verbreitet wird beides aus der BRD ins Internet. Quelle ist der Autor dieses Textes. Welche Mailbox-Sysomi sich genötigt fühlt, diesen Text zu löschen aus Angst vor Zensoren aller, wird ggf. im Dokument der Zeitgeschichte erwähnt - später... Wau Holland, zur Medienmesse Leipzig, 25.09.96 ---------------------------------------------------------- Die Vorgeschichte ================= Früher hatte der Kaiser das Monopol auf bezahlte Reklame. In seiner Fürsorge für die Untertanen ordnete der deutsche Kaiser die Herausgabe von "Intelligenzblättern" an und verpflichtete seine Beamten zum Abonnement. Reklame durfte nur in diesen Intelligenzblättern erscheinen. Andere Zeitschriften durfte Reklame erst viel später bringen, das bedurfte eines politischen Kampfes. Auch die Bestimmung, was eine "Zeitung" ist und was nicht, definierte - damals wie heute - die Obrigkeit. Bei einem Blatt arbeitete damals Karl Marx mit. Amtlicher Beliebtheit erfreute sich diese Zeitung nicht unbedingt. Aber als "Reklameblättchen" konnte der Kaiser die "marxistische" Gazette kaum bezeichnen. Die Obrigkeit ging auch nicht soweit wie bei einem Kölner Blatt, wo ein Schläger für Geld angeheuert wurde, um einen Verantwortlichen ordentlich zu verprügeln; die Quittung ist ein Dokument der Zeitgeschichte. Zu Zeiten von Marx gab es das Postzeitungs-Vertriebmonopol. Das gab der Post das ausschliessliche Recht, Zeitungen zu verbreiten und war verbunden mit der Pflicht, *alle* Zeitungen zu verbreiten. Damit hatte die Post ein Problem. Um die "Pflicht" zur Verteilung einer "marxistischen" Zeitung zu umgehen, fand die Deutsche Post einen eleganten Ausweg: sie verzichtete ein ganz klein wenig auf ihr Monopol. Denn sie durfte ja nicht sagen "Marxistische Zeitungen vertreiben wir nicht". Deshalb "erlaubte" die Post, daß die Zeitung im "zu-Fuß"-Umkreis des Druckortes ausgetragen werden durfte. Für das Austragen durfte kein "Fersengeld", sondern ein "Sohlengeld" gezahlt werden. Das war "neu", denn wegen des Post- Monopols war ein eigenes Austrägersystem eigentlich verboten. Diese an Fußwege gebundene Verbreitungsbeschränkung konnte mit der Eisenbahn umgangen werden. Ein amerikanischer Erfinder im Bereich Elektrotechnik (guess, who) löste das Problem: er betrieb eine Druckerei im Eisenbahnwaggon. Auf der Fahrt redigierte man die gesammelten Neuigkeiten. Beim Halt am Bahnhof wurde die gedruckte Zeitung mit einem mobilen Impressum verkauft. Abgefahren wurde, bevor es Stress gab. So wurden aktuelle News erzeugt und verbreitet mit einem überschaubaren Risiko. Solche Aktivitäten haben amerikanische Freiheitsvorstellungen geprägt - bis heute im Internet. Denn die technische Entwicklung ging weiter. Die Zeitschrift elrad brachte im Frühjahr 1985 eine Selbstbauserie für Satellitenempfang (Anfang davon nachgedruckt in Hackerbibel 1, S. 124). Die Schweizer Post hat nach dem Motto "wir sind noch gründlicher als die Deutschen" den Satempfang sofort verboten, indirekt. Gegenüber ihren Bürgern behauptete die Schweiz damals, auch zu Zeiten von Gorbatschow sei der Sat-Empfang des sowjetischen Fernsehens in der Schweiz verboten. Denn die über dem Äquator stehenden Satelliten seien Teil einer 72 000 km langen innersowjetischen Fernmeldeverbindung. Abwegig sei die Ansicht, so die Schweizer Regierung, bei dieser im Hoheitsgebiet der UdSSR liegenden Fernmeldeverbindung handele es sich um frei empfangbare Sendungen, die im Rahmen der Meinungsfreiheit nach der Europäischen Menschenrechtskonvention von jedermann empfangen werden dürften. Der damalige deutsche Postminister Schwarz-Schilling sah das auch so. Das qualifizierte ihn vermutlich, später Vorsitzender im Unterausschuß des Bundestages für Menschenrechte zu werden. Denn damals verweigerte der deutsche Postminister mit Hilfe seiner Bremer Untergebenen sogar einem Fernsehmeister die "Einzelgenehmigung", Sender wie CNN per Satellit zu empfangen. Auf Betreiben der Post ließ ein Gericht sogar dessen Vorführ-Satellitenschüsseln beschlagnahmen. Es ist natürlich eine Unverschämtheit, zu behaupten, das wäre ein Empfangsverbot oder gar eine Grundrechtsbeschränkung, sondern es war nur ein Verwaltungsakt im Postrecht. Hübsch war die Begründung. Weil der auf dem Dorf bekannte Fernsehmeister öffentlich verkündet hatte, er halte die "Sat-Empfangs-Einzelgenehmigung" für einen großen Quatsch, bot dieser Meinungsmultiplikator aufgrund seines öffentlichen Auftretens nicht die Gewähr, sich zukünftig an Empfangsauflagen der Deutschen Bundespost zu halten. Deshalb sei die Entscheidung, ihm die Sat-Einzelempfangsgenehmigung für den Empfang von CNN usw. zu verweigern, eine "Ermessenssache". Es gab damals nur eine Zeitschrift in der BRD, die über diesen Fall berichtete: INFOSAT. Und diese Zeitschrift war, amtlich definiert wie bei RADIKAL, keine Zeitschrift. Das jedenfalls behauptete die Post. Im Unterschied zu den Zeiten von Karl Marx argumentierte diesmal die Deutsche Bundespost "ihr seid keine Zeitschrift, sondern ein Reklameblättchen". Infosat mußte deshalb auch kein "Sohlengeld" für das Austragen der Zeitschrift zahlen und eigene Austräger finden, sondern - die damals moderne Variante - "Drucksachengebühr" an die Deutsche Bundespost. Historische Details, wie etwa das Verbot der Bundespost, die Öffnung des Brandenburger Tors per Satellit zu übertragen, übergehen wir hier; der entsprechende Brief von Rene Anselmo war damals in der INFOSAT abgedruckt und von anderen deutschen Medien freundlichst "übersehen". Später wurde die Infosat dann doch eine "richtige" Zeitschrift. Denn Infosat holte sich eine "Postvertriebsnummer" der DDR im Untergang. Diese Nummern wurde später von Schwarz-Schilling zähneknirschend "pauschal anerkannt". Inmitten ähnlicher medialer Brüche agiert die Zeitschrift RADIKAL. Der Zugang zur RADIKAL ist dank der Satellitentechnik und eines Urteils des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte frei. Denn unverschlüsselt per Satellit ausgestrahlte Meinungen können frei und ungehindert empfangen werden. Es gibt bereits mehrere "Feeds", wo Internet per Satellit bestellt werden kann. Funkwellen sind grenzüberschreitend. Jeder darf in Deutschland auch dann "Deutsche Welle TV" empfangen, wenn es im Gesetz dazu heißt, DW-TV Sender dürfe "nur" für das Ausland senden. Nur landesherrliche Sturköpfe behaupten deshalb, DW-TV dürfe nicht in Antennenverlängerungskabel eingespeist werden. Solche Unterscheidungen sind heute ebenso kleinkariert wie die Definition "ortsüblicher Empfang", um die Bedingungen für das Einspeisen von TV-Programmen in Kabelnetze zu beschreiben im Unterschied zwischen Hessen und Bayern. Denn ein einziger Satellit kann ein Drittel des Globus bestrahlen. Die in den Niederlanden frei käufliche Zeitschrift RADIKAL im Internet verbieten zu wollen, kommt dem Versuch gleich, Sat-Empfang mit Störsendern oder Beschlagnahmungen wie zu Zeiten Schwarz-Schillings zu verbieten. Sowas ist Schnee von gestern und eine Einschränkung des Grundrechtes auf freie Meinungsbildung nach Art. 5 der Europäischen Menschenrechtskonferenz. Im Anhang ist ein angeblich in der BRD "verbotener" Beitrag der RADIKAL 154 dokumentiert. Ich persönlich teile deren Auffassungen - insbesondere Zensur betreffend - in keiner Weise. Denn ich habe freiheitlichere Vorstellungen als solche Zuspätleninisten, denen die "Deutsche Post" das Vorbild für die Errichtung eines ganzen Staates war; das geht hervor aus Lenin in "Staat und Revolution". Die Meinungsfreiheit ist erst dann gegeben, wenn auch Meinungen verbreitet werden dürfen, die der eigenen drastisch widersprechen. Genau deshalb ist es wichtig, für das Grundrecht der RADIKAL, eine Zeitschrift zu gestalten und zu verbreiten nach ihrem Geschmack, einzutreten als engagierter Demokrat. (c) Wau Holland, Doyen des Chaos Computer Club Eine Verbreitung dieses Textes ohne einen Verweis auf die Internet-Seiten, auf denen die RADIKAL abrufbar ist, wird als Verletzung meines Urheberrechtes strafrechtlich verfolgt. Die Verbreitung im INTERNET ist frei und unterliegt sinngemäß den Regeln der GNU GPL. Verbreitung in anderen Medien nach Rücksprache mit dem Autor, erreichbar unter wau@ccc.de Das genügt als elektronisches Impressum. Es folgt ein Beitrag aus der angeblich verbotenen RADIKAL 154: -------------------------------------------------------------- Pressefreiheit - Freiheit fuer wen? ==================================== "Gerade in der Tatsache, dass der buergerliche Rechtsstaat seinen selbst postulierten Werte nicht verwirklichen kann, liegt das dialektische Verhaeltnis, das seine Existenz ideologisch in Frage stellt", haben wir in unserem Intro der radi 153 im Zusammenhang mit der Frage, ob die Linke Pressefreiheit fordern sollte, geschrieben. Wir wollen im Folgenden darauf etwas genauer eingehen, zumal wir der Meinung sind, dass die Frage der unzensierten Kommunikation sowie der herrschenden Medienrealitaet, und damit indirekt auch die der Haltung zur Pressefreiheit eigentlich in der Solidaritaetsarbeit im Zusammenhang mit der Repressionswelle von 13. 6. eine zentrale Rolle spielen sollte. Es sollte, um das vorwegzunehmen, nicht um das Einklagen des "Rechtes auf freie Meinungsaeusserung" gehen, sondern um eine Debatte, die die herrschende Medienpolitik genauso thematisiert wie unsere Moeglichkeiten, gegen diese Wahrheitskonstruktionen vorzugehen. Zweifellos muessten auch neue Formen der eigenen Kommunikation diskutiert werden, muesste hinterfragt werden, wie und an wen wir unsere Inhalte vermitteln wollen und welche Medien unter welchen Bedingungen hierzu genutzt werden koennen. Das blosse Einfordern der Pressefreiheit, losgeloest von politischen Ansaetzen, fuer die die radikal steht, mag zwar den einen oder die andere kritische Journalistin ansprechen, fuer die Zukunft linksradikaler Politik allerdings greift sie zu kurz, weil sie eben, wie wir auch im letzten Intro beschrieben haben, nur die halbe Wahrheit vermittelt. Die Gleichheit vor dem Gesetze Die Pressefreiheit laesst sich, wie alle Errungenschaften der buergerlichen Gesellschaft, nur dialektisch begreifen. Soll heissen, diese Errungenschaften konnten nur gedacht, letztendlich auch nur durchgesetzt werden, weil die feudalistische Gesellschaft Ende des 18. Jahrhunderts ob der Art und Weise, wie die Menschen in der westlichen Hemisphaere aufgrund technologischer Entwicklung ihr Ueberleben organisiert hatten, an eine Grenze gestossen war. Um den Lohnarbeiter/die Lohnarbeiterin zu erhalten, der/die sich fuer den Mehrwert des aufstrebenden Buergertums in den Bergwerken und Fabriken verheizen sollte, musste dieser erstmal geschaffen werde. Jede/r musste das Recht haben, seine/ihre Arbeitskraft auf dem Markt verkaufen zu duerfen. Der "doppelt freie Lohnarbeiter/die Lohnarbeiterin" entstand. (Dass es sich mit der freien Lohnarbeiterin eigentlich nochmal etwas anders, komplizierter verhaelt, wollen wir in diesem Zusammenhang mal vernachlaessigen, wir verweisen auf die "Gegen das Vergessen-Serie in den radi-Ausgaben 150 bis 152). "Doppelt frei" heisst frei von der Gebundenheit an den baeuerlichen Hof, von der Leibeigenschaft, frei seine/ihre Arbeitskraft zu verkaufen - alle Menschen mussten also das Recht haben, einen "Vertrag" einzugehen. Alle sollten vor dem Gesetz gleich sein, war dann auch die logische Forderung, fuer die das deutsche Buergertum unter anderem in der 1848er Revolution auf die Barrikaden ging. Eine Forderung, die die Bourgoisie mit dem enstehenden Proletariat verband. Schliesslich versprach die ueberwindung der Unfreiheit - der Abhaengigkeit vom Grossgrundbesitzer - auch den Bauersfamilien und TageloehnerInnen ein besseres Leben. Mit der Durchsetzung der buergerlichen Revolution wurde genau diese formale Gleichheit vor dem Gesetz erreicht. Entsprechend hatten beide VertragspartnerInnen das gleiche Recht, einen "Kontrakt" einzugehen. Dass diese Gleichheit eine Fiktion war und ist, verdeutlicht am besten jener Satz, nachdem "jeder das Recht hat, unter Bruecken und auf der Strasse zu schlafen". Der Arbeiter/die Arbeiterin hatte ebenso wie der Kapitalist das Recht, einen Arbeitsvertrag abzuschliessen wie diesen wieder aufzukuendigen. Nur hatte der Arbeiter/die Arbeiterin eben nur zum Preis ihres Verhungerns real diese Moeglichkeit. Die postulierte Gleichheit war und ist also eine rein formale, die realen Abhaengigkeitsverhaeltnisse werden ausgeblendet. "Politik sollte deshalb die Idee der abstrakten Gleichheit der Menschen nicht einmal als Idee propagieren", hat Theodor W. Adorno zu diesem Thema mal gesagt. Dennoch schuf sie die Grundlage, auf der heute Rechte der Arbeitenden und Arbeitslosen eingeklagt werden - sowohl von den Gewerkschaften wie auch vom sozial-revolutionaeren Kaempfer/Kaempferin. Zensur ist mehr als die Kriminalisierung linker Medien ------------------------------------------------------ So, und genau hier waeren wir nach einem kleinen, vereinfachten Rundumschlag ueber einem wesentlichen Aspekt des Kapitalismus bei der sogenannten Pressefreiheit. Nicht zufaellig war eine Forderung, die die verschiedenen Kraefte der 1848er Revolution miteinander verband, das Recht, seine Meinung unzensiert zu verbreiten. Auch sie war eine Voraussetzung fuer die buergerliche Demokratie, ohne die der Kapitalismus nicht denkbar war. Die Forderung nach Abschaffung der Zensur war eine der treibenden Kraefte im Vormaerz, und obwohl die Revolution niedergeschlagen wurde, ist zumindest die Vorzensur danach abgeschafft worden. (Hier sei gleich angemerkt, dass die Auseinandersetzungen um die Pressefreiheit nur durch einen bestimmten Stand der Produktivkraefte moeglich waren. Erst als nicht nur die Herrschenden die Moeglichkeit hatten, Buecher und Flugblaetter zu veroeffentlichen, enstand das "Problem", die oeffentlich verkuendete Meinung der Andersdenkenden zu unterdruecken. Diese Tatsache spielt eine wichtige Rolle in der Diskussion um die Bedeutung von Radios genauso wie heutzutage in der Zensurdebatte ums Internet). Bezeichnenderweise hatten sich spaeter gerade in Deutschland innerhalb des Buergertums jene Kraefte durchgesetzt, denen die Liberalisierung des Marktes alles, die Freiheitsrechte hingegen nur Mittel zum Zweck waren. Kaum hatte das Buergertum einen kleinen Teil der Macht errungen, sollte sich die politische Zensur im Folgenden hauptsaechlich gegen die Linke richten. So wurde beispielsweise im Rahmen der Sozialistengesetze von 1878 die gesamte Parteipresse der damals revolutionaeren Sozialdemokratie verboten. Auch in der Weimarer Republik hatten sich die buergerlichen Parteien inclusive der mittlerweile staatstragenden SPD vor allem die die Linke als Opfer der Zensur ausgesucht. Nach der Niederlage des Faschismus dann sollte die sogenannte Pressefreiheit in Westdeutschland so richtig zum Bluehen kommen - 1949 wurde der allseits bekannte Satz, "eine Zensur findet nicht statt" im Grundgesetz festgeschrieben. Dass es damit sehr schnell nichts mehr war, mensch denke an die Verbote der kommunistischen Parteipresse (daran erinnert uebrigens auch ein Beitrag in dem Buch "20 Jahre radikal" - dadrin findet sich folgendes Beispiel: "Gegen nur ein Blatt, die Hamburger Volkszeitung, wurden zwischen 1951 und 1956 dreihundertsechsundneunzig Strafanzeigen gestellt, ein Redakteur hatte im gleichen Zeitraum sechzig (!) Prozesse."), das alles soll uns jetzt nicht weiter beschaeftigen. Auch nicht, dass zahlreiche JournalistInnen, die wenige Jahre zuvor Propagandaminister Goebbels angedient hatten, ploetzlich in den Redaktionsstuben der Welt oder der FAZ sassen. Die wirkliche Bluete der Pressefreiheit war jener Medienmarkt, dessen Auswuechse wir jetzt in TV, Radio und Presse geniessen duerfen. War nach '45 zumindest noch der Anspruch vorhanden, Rundfunk- und Fernsehen duerften nicht staatlich kontrolliert und kommerziell abhaengig sein und sollten pluralistisch strukturiert werden, so wurde dieser Anspruch spaetestens 1984 ueber Bord geworfen, als die Privatsender legalisiert wurden. Der Printmedienmarkt agierte quasi unmittelbar nach der Gruendung der BRD - von den Zeitungen der KPD mal abgesehen - ausschliesslich nach kapitalistischen Interessen. Der Axel-Springer-Verlag kontrolliert jetzt rund 30 Prozent der Tagespresse (und nebenher noch einige Zeitungen und "special-interest-Blaetter" sowie sieben Radiosender). Insgesamt haben die 10 groessten Verlagsgruppen ueber 55 Prozent der Tageszeitungen in ihrer Hand. Der private Fernsehmarkt ist unter den Grossgruppen RTL-CLT-Luxembourg/Bertelsmann-Verlag und Leo Kirch/Axel Springer-Verlag aufgeteilt. Sogenannte Kontrollinstanzen, die eine Monopolisierung verhindern sollen, - praktisch das sozialdemokratische Einklagen des Staates gegen einen frei wuchernden kapitalistischen Markt - werden durch die ueblichen Tricks hintergangen. Nicht vergessen werden sollen hier auch die Spartenmedien mit ihren Belanglosigkeiten im Angebot, sei es ueber das noch so jedes erdenkliches Juppie-Hobby wie Windsurfen, Drachenfliegen, etc... Oder jene Medien die mit den neuesten Skandalen der Koenighaeuser dieser Welt aufwarten, die ewig gleichen Ereignisse in der Glitzer- und Ersatzwelt des Sports, Musik oder dem Kino nachbeten und bis zur Ekstase herunterkauen. Sie alle bedienen Parallelwelten, sind mediale Segmente einer ausdifferenzierten Wahrnehmung, in der die alte Vorstellung und Konzeption von "Information und Nachricht" ueberhaupt keine Chance mehr hat. Ein schweizer Philosoph meinte vor einigen Jahren, heute sei nicht mehr das Problem, dass Menschen nicht von den Schweinereien in der Welt wuessten, sie also darueber aufgeklaert werden muessten - nein im Gegensatz zu vor 20 Jahren weiss zum Beispiel heute jede/r, dass ein ganzer Kontinent (naemlich Afrika) verhungert - nur das nuetzt nichts. Medienvielfalt und Informationsueberflutung fuehrt zu einer noch brutaleren Wirklichkeit - denn die Abstumpfung nimmt immer mehr zu, je schneller und wechselnder die Bilder des Grauens in unsere Wohnzimmer kommen. Auch in diesem Kontext, der Konstruktion einer ganz bestimmten Form von Wahrnehmung, muss der Begriff der "Pressefreiheit" diskutiert werden. Pressefreiheit ist nichts als eine Fiktion, vergleichbar mit der formalen Gleichheit vor dem Gesetz, vollkommen abstrahiert von der Wirklichkeit kapitalistischer Eigentums- und patriarchaler Machtverhaeltnisse. Zwar darf theoretisch jede/jeder publizieren, was er/sie will, real aber kann sich durch diese Garantie auch genau jene Form von Wirklichkeitskonstruktion durchsetzen, die sich als Ware verkaufen laesst, und die mit den entsprechenden finanziellen Mitteln antreten kann, um ueberhaupt als Ware angeboten zu werden. Zensur beginnt also nicht da, wo eine linksradikale Zeitung kriminalisiert wird, sie ist schon im Kern der kapitalistisch/patriarchalen Gesellschaft angelegt. Pressefreiheit einzuklagen, heisst in diesem Zusammenhang schlechtestenfalls, dem marktradikalen Recht des Staerkeren nach dem Vorbild der USA das Wort zu reden, bestenfalls, in der Tradition der Nachkriegs-SPD ein mehr an staatlicher Kontrolle einzufordern. Letztendlich sind beide Ansaetze zutiefst buergerlich. Dieser Ausgangspunkt drueckt sich nicht zuletzt in der aktuellen Diskussion um Kinderpornos oder faschistische Propaganda im Internet aus. Die Auseinandersetzung - auch die der Linken - darum, ob deren Verbreitung zensiert werden soll, wird hauptsaechlich im Rahmen der Pressefreiheit diskutiert. Dieser Logik entspricht letztendlich, vom Staat eine groessere Kontrolle ueber Dinge zu fordern, die dieser selbst als Garant fuer das Funktionieren der Verhaeltnisse mittragen muss. Nicht thematisiert wird in diesem Zusammenhang, dass und warum sich selbst der Missbrauch von Kindern fuer sexuelle Machtphantasien von Erwachsenen (meist Maennern) als Ware so gut verkaufen laesst. Und angesichts der rassistischen Presseberichterstattung der buergerlichen Medien, wie sie uns beispielsweise im Zusammenhang mit den Newroz-Feiern im Maerz wieder serviert wurden, faellt die Empoerung ueber rechtsradikale Propaganda schon beinahe schwer. Dass aber auch diese ueber beste Kontakte zu kapitalkraeftigen Hintermaennern verfuegen, insofern eine "Einschraenkung ihrer Pressefreiheit" ohnehin nur sehr bedingt fuerchten muessen, wurde in der Debatte um Zensur schon fast vergessen. Auch hier wird von den realen Bedingungen "ganz buergerlich" abstrahiert. Sollten wir etwa, um ein ganz anderes Beispiel zu nennen, dafuer eintreten, dass sich in Kuba die Presefreiheit durchsetzt? Wir haetten beste BuendnispartnerInnen. US-amerikanische Medien lechzen gerade danach, die Insel mit ihrer Propaganda zu ueberschwemmen - im Namen der buergerlichen Freiheit. Genauso, nur eben umgekehrt, verhaelt es sich auch mit uns. Man/frau kann also nicht die Pressefreiheit einklagen, ohne das Grundgesetz damit im Auge zu haben. Dementsprechend erfordert es einige nicht so richtig nachvollziehbare Kapriolen, die Abschaffung der Zensur zu fordern, und gleichzeitig staatliche Organe zu kritisieren, da sie nicht konsequent gegen Nazipropaganda vorgehen. Fordern wir auch nicht. Eben. Wo fuer uns selbst die Grenze beginnt, an der wir es fuer notwendig erachten, aktiv als Zensoren aufzutreten, entspricht einem Diskussionsprozess, der oft genug auch innerhalb der Linken kontrovers gefuehrt wird. Dass aber zum Beispiel einigermassen Einigkeit darueber besteht, dass rechtsradikale, rassistische Propaganda unterdrueckt werden muss, zeigen die Mobilisierungen gegen Nazi-Veranstaltungen und rassistische Propaganda. Genauso kann unser Ziel, eine unzensierte Kommunikation auch ueber militante linksradikale Politik sicherzustellen, nur gewaehrleistet werden, indem wir uns die dafuer notwendig Strukturen schaffen und dies einfach tun. Pressefreiheit losgeloest von den gesellschaftlichen Bedingungen einzufordern, wuerde die realen Verhaeltnisse nicht nur ignorieren, sondern sogar noch bestaetigen. Den Prozess auf den Kopf stellen? --------------------------------- Und hier kommen wir wieder auf unseren Eingangssatz zurueck. Allein die Repression, die in penetranter Kontinuitaet gegen die radikal aufgefahren wird, fuehrt doch die im Grundgesetz verbriefte Meinungsfreiheit ad absurdum. Sie beweist, dass es eine solche im kapitalistisch/patriarchalen Staat gar nicht geben kann. Und dennoch gibt es sie - formal. Real haben linke Medien in manchen Laendern groessere, in anderen kleinere Spielraeume. Diese dennoch zu verteidigen, widerspricht dem bisher Gesagten nicht, wenn wir gleichzeitig die sich dahinter verbergende Absurditaet aufzeigen und nicht einfach die konsequente Umsetzung eines Rechtes einzuklagen. Schliesslich gibt es keinen Grund, freiwillig Terrain aufzugeben und uns dadurch ohne Not in unseren Moeglichkeiten zu beschneiden. Genauso, wie wir die faktische Abschaffung des Asylrechts kritisieren, nicht weil dieses dem Verstaendnis dieses Staates eigentlich immanent sein sollte, sondern weil es genuegend humanistische und politische Gruende gibt, den "freien" Aufenthalt von Fluechtlingen in Deutschland zu verteidigen. Oder weil die jetzt vor einem Monat vom Bundesverfassungsgericht endgueltig beschlossene Legitimaet dieses Gesetzes Bundesgrenzschutz und Abschiebebehoerden genauso wie Nazis die Rueckendeckung verschafft, um noch skrupelloser gegen alles Nicht-Deutsche vorzugehen. Dieser Beschluss verschlechtert die Bedingungen fuer alle, die sich aktiv dafuer einsetzen, dass Fluechtende hier bleiben koennen. Und, um wieder auf uns zurueckzukommen: Ganz klar, eine Verurteilung derjenigen, denen jetzt vorgeworfen wird, in der radikal mitgemacht zu haben, wird die Bedingungen fuer alle verschlechtern, die hier fuer linksradikale Politik einstehen - nicht nur fuer uns. Warum also drehen wir den Spiess nicht einfach um, schlagen gleich zwei Fliegen mit einer Klappe und greifen nebenher nach ein paar Sternchen. Soll heissen: Wenn sich die GenossInnen schon unnoetige Zeit vor Gericht tummeln muessen, warum nutzen wir nicht dieses Spektakel, um die Absurditaeten buergerlichen Rechtstaatsdenken sowie die Mechanismen von Wirklichkeitsproduktion aufzuzeigen und gleichzeitig durch politische Mobilisierungen den notwendigen Druck zu schaffen, um keinen Milimeter Terrain freiwillig aufzugeben. Jahrelange Observation, ein riesiges Aufgebot von BKA-FahnderInnen, tierisch viel Knete, all das sind die staatlichen Zensoren bereit, aufzubringen, um irgendwelche juristischen Beweise zusammenzusammeln, um die sie sich bei anderen Prozessen, beispielsweise gegen die Guerilla, einen Dreck gekuemmert haben, und das alles, obwohl sie letztendlich kein juristisches, sondern schlichtweg nur ein politisches Problem haben: Die Schwierigkeit, eine Zeitung als kriminelle Vereinigung zu verurteilen und damit ihre eigenen Postulate infragezustellen. Hier gilt es anzusetzen. Und warum sollten wir nicht genau diese Situation beispielweise zuspitzen, indem wir den Vorschlag von "Robbi, Tania und das Fliewatueuet" aufgreifen, die in einem Kritikpapier an uns formulieren: "Lohnt es sich eurer Meinung nach, einen Gedanken daran zu verschwenden, wie wieder ein legales Erscheinen zu erkaempfen waere? Unserer Meinung nach ja." Wir wuerden uns dem anschliessen. Zumindest der Gedanke lohnt. Nicht nur, weil dies die Bedingungen der Arbeit an der radikal verbessern wuerde, sondern in diesem Zusammenhang gerade, weil wir - vorausgesetzt, die Sache wird richtig angepackt - die staatlichen Zensoren in Zugzwang bringen wuerden. Und natuerlich, um das wichtigste nicht zu vergessen, ohne unsere verdeckte Struktur aufzugeben. Denn "Pressefreiheit" wird es fuer die militante Linke nicht geben. Sicherlich ist das eine aufwendige Angelegenheit, denn es wuerde erfordern, an Parallelstrukturen zu arbeiten, die voneinander unabhaengig - quasi nur durch ein politische Kommunikation miteinander verknuepft - an einem gleichen Stang ziehen. Aber genau darum sollte es mit der radikal immer gehen - sie sollte die Faehigkeit und Spannbreiten der Diskussion innerhalb der linksradikalen Szene erweitern und schaerfen. Wir wuerden dies auch als dem linksradikalen Zeitgeist entgegengesetzt verstehen, der sich in immer weiter voneinander abgestecktere Wahrnehmungsfelder und Wahrheiten begibt. Jedem Grueppchen seine eigene Zeitung, jeder Wahrheit ein eigenes Medium, so scheint das Motto der 90er Jahre. Gemeinsame Diskussionsfaehigkeit exisiert angesichts dieser verschiedenen Wahrnehmungswelten schon oft gar nicht mehr. Auch das gilt es, zu ueberwinden. Alles etwas hochgegriffen? Mag sein, aber immer noch gilt: In Gefahr und groesster Not ist der Mittelweg der Tod! Eine Gruppe aus der radikal