Zensur: Auch Compuserve sperrt Host

   Compuserve hat mit sofortiger Wirkung den gesamten Host
   "http://ourworld.compuserve.com/homepages/" gesperrt. Im
   Unterverzeichnis "angela1" befand sich die Seite der stellvertretenden
   Bundesvorsitzenden der PDS, Angela Marquardt. Mit dem Hinweis, daß sie
   zwar die dort geäußerten Ansichten nicht teile, aber das Recht auf
   freie Meinungsäußerung fördern wolle, gab Marquardt einen Link auf die
   Seiten des Autonomenmagazins "Radikal". Die Seiten enthielten einen
   "Kleinen Leitfaden zur Behinderung von Bahntransporten aller Art".
   
   Die Bundesanwaltschaft Karlsruhe hat die Provider massiv unter Druck
   gesetzt. Sie moniert die "Radikal"-URLs des niederländischen Anbieters
   xs4all sowie den Link von Angela Marquardt auf diese Seiten. Sie hegt
   "Anfangsverdacht wegen strafbaren Werbens für eine terroristische
   Vereinigung, zudem wegen öffentlicher Billigung von Straftaten sowie
   der Anleitung zu Straftaten".
   
   Von der Drohung des Generalbundesanwalts "Sie werden darauf
   hingewiesen, daß Sie sich möglicherweise einer Beihilfe zu diesen
   Straftaten strafbar machen, soweit Sie weiterhin den Abruf dieser
   Seiten über Ihre Zugangs- und Netzknoten ermöglichen sollten" ließen
   sich 13 Provider einschüchtern und sperrten den Zugriff auf den
   gesamten Host des Anbieters xs4all für 28 Tage. Daß der Bundesanwalt
   selbst einen Link auf die Radikal-Seiten als "Beihilfe zur Straftat"
   ansieht, hat Compuserve nun zur Blockierung des gesamten Hosts
   veranlaßt, auf dem die Homepage von Angela Marquardt beheimatet ist.
   Eine Stellungnahme will Compuserve erst im Verlauf des
   Freitagnachmittag abgeben.
   
   Angela Marquardt erhielt die Nachricht über die Blockierung ihrer
   Seite direkt aus den USA. Ein Larry Wood teilte ihr heute mit, als
   "Our World WorldMaster Administrator", habe er "by order of
   CompuServes Legal Department" die Seiten gesperrt.
   
   xs4all hat mittlerweile die IP-Nummer geändert. Seine Aufforderung,
   die beargwöhnten Seiten möglichst oft zu spiegeln, ist zahlreich
   befolgt worden. Wer bislang noch nicht auf den "Leitfaden zur
   Behinderung von Bahntransporten" gestoßen ist, findet ihn nun
   garantiert...
   
   Unterdes wurden weitere Zensurmaßnahmen bekannt: Die Bundesprüfstelle
   für jugendgefährdende Schriften hat über die Indizierung von
   Web-Seiten entschieden. Das Familienministerium hatte die Ächtung von
   acht Seiten des Deutschkanadiers Ernst Zündel beantragt.
   
   Zündel gehört der äußersten Rechten an, als "Revisionist" versucht er
   unter anderem zu beweisen, daß der nationalsozialistische Völkermord
   an den Juden eine aliierte Propagandalüge gewesen sei. Solche
   Behauptungen sind in der Bundesrepublik unter Strafe gestellt. Doch
   von Kanada aus kann er seine Thesen übers Internet ohne Probleme
   verbreiten.
   
   Die Begründung: Zündels Web-Seiten seien ihrem Inhalt nach geeignet,
   Kinder und Jugendliche "sozialethisch zu desorientieren". Sie
   propagierten nationalsozialistisches beziehungsweise
   rechtextremistisches Gedankengut, indem sie unter anderem
   nationalsozialistische Verbrechen leugneten und das NS-Regime und
   damit zugleich dessen Ideologie durch Geschichtsklitterung aufzuwerten
   und zu rehabilitieren suchten und bei jugendlichen Lesern eine
   entsprechende Zielorientierung auslösen könnten.
   
   Zündel reagierte heiter gelassen -- er weiß genau, daß ihm die
   deutschen Behörden im liberalen Kanada nichts anhaben können;
   feinsinnigerweise stellte er den Brieftext gleich mit ins Netz.
   
   Die Frage ist nun, wieweit staatliche Behörden in der Lage sein
   werden, die Indizierung durchzusetzen.
   
   Die Provider geben sich gereizt und fordern eine rechtliche
   Stellungnahme der Bundesanwaltschaft. Sie hegen praktische und
   rechtliche Bedenken, außerdem widerspreche eine Sperrung den
   geschlossenen Verträgen. Um eine angeordnete URL-Sperrung
   durchzusetzen, kann sie die Provider mit Zwangsgeld bedroht und
   gegebenfalls eine "Ersatzvornahme" durchführen - was nichts anderes
   heißt, als daß die Behörde Polizeibeamte schickt, die Computer,
   Festplatten und sonstiges Equipment zur Beweissicherung ausbauen und
   mitnehmen. Geschähe dies, würde der gesamte Betrieb eines Providers
   stillgelegt werden. "Was das wirtschaftlich bedeutet, können Sie sich
   ausmalen", so der Rechtsanwalt der ICTF, des Verbunds der
   Internet-Provider, Michael Schneider, zu c't. (ct/fm)
   
                       HEISEONLINE NEWSTICKER KONTAKT
                                      


     _________________________________________________________________
                                      
   © Copyright by Verlag Heinz Heise GmbH & Co KG
   Program last updated by ras / 13.09.96